
Blutstammzellspenderinnen und -spender erzählen
Binggeli springt ein
Ivo Binggeli ist Mediamatiker, Pfadileiter aus Leidenschaft und springt gelegentlich als Bademeister für seine Schwester ein. Kürzlich hat er Blutstammzellen gespendet. Für ihn kein grosses Ding. Er hat es gemacht, weil es sich angeboten hat und weil er ohnehin immer einspringt, wenn jemand Hilfe braucht.
Im Hallenbad von Bettlach riecht es nach Chlor und Desinfektionsmittel. Helle Fliesen reflektieren das Licht und lassen den Raum grösser wirken. An diesem Abend steht Ivo Binggeli am Beckenrand und kümmert sich um das Wohlbefinden und die Sicherheit der Badegäste. Für gewöhnlich ist es seine Schwester, die hier während ihres Studiums als Bademeisterin jobbt. Wenn sie verhindert ist, übernimmt der grosse Bruder. «Keine grosse Sache», sagt er, «jemand muss ein bisschen schauen und putzen. So einfach ist das.»
Sein Lebensmittelpunkt liegt irgendwo zwischen Job, Hausrenovierung und Pfadi, wo er Teil des Leitungsteams ist. Schon bald beginnt das Sommerlager, das Material dafür steht bereit. Nur die Gruppen werden zusehends kleiner. Ivo Binggeli vermutet die Ursache für diesen Umstand im sehr grossen Freizeitangebot in Bettlach. Doch er bleibt gelassen. «Dann kommen halt nur die, die wollen.»
Ein Gespräch am Beckenrand
Während eines Hallenbadeinsatzes kommt er mit einer Frau ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass er und ihre Tochter einst den gleichen Schwimmkurs besuchten. Im Dezember 2022 erhielt sie die Diagnose Leukämie. Bald schon war klar, dass sie ohne passende Blutstammzellspende die Krankheit nicht überleben würde. Nach schier endloser Suche liess sich in Finnland eine entfernt verwandte Spenderin finden. Die Mutter der ehemaligen Mitschwimmerin sagt ihm, wie verzweifelt man wird, wenn es niemanden gibt, der passt. Und wie wichtig es ist, dass sich junge Menschen registrieren. Der diensthabende Bademeister hört zu und denkt: «Was schadets.» Er informiert sich online und lässt sich registrieren.
Zwei Jahre später bemerkt er auf seinem Handy einen verpassten Anruf von Blutspende SRK Schweiz. Ivo Binggeli ruft zurück. «Ich telefoniere immer zurück.» Die Stimme am anderen Ende der Leitung erklärt, dass es einen Match gäbe. Er sei geeignet für eine Spende. Ob er sich das vorstellen könne? Bedenkzeit? Braucht er nicht. «Es gibt ja keinen Grund, nicht zu helfen.» Die Mitarbeiterin von Blutspende SRK Schweiz informiert ihn, dass in seinem Fall eine Knochenmarkspende nötig sei, also keine Blutentnahme über die Armvene, sondern ein operativer Eingriff am Beckenkamm unter Vollnarkose. Für ihn ändert sich mit dieser Info nichts an der Sache und er sagt zu. Er habe zuerst gedacht, die Stammzellen würden im Rückenmark entnommen. Die Mitarbeiterin klärt ihn rasch auf: Knochenmark bildet Blut, Rückenmark gehört zum Nervensystem. Das hat nichts miteinander zu tun.

«Schmerzmittel brauchte ich keine»
Am Vorabend des Eingriffs rückt er ins Spital ein und wird am nächsten Morgen bereits um acht in den OP geschoben. Die Entnahme dauert eine gute halbe Stunde. Noch am gleichen Tag darf der junge Solothurner das Spital wieder verlassen. «Und ausser ein bisschen Rückenschmerzen spürte ich nichts. Diese waren aber nicht schlimm. Es war, als hätte ich längere Zeit in nach vorne gebeugter Haltung ausgeharrt. Schmerzmittel brauchte ich deswegen keine.»
Aus seiner Spende wollte er keine grosse Sache machen. Im Vorfeld habe er mit seiner Familie darüber gesprochen, das reichte. An Ostern kam sie im erweiterten Familienkreis doch zur Sprache. Zwei Verwandte hatten sich kurz zuvor selbst registriert. So kam das Thema auf. «Als ich dann erzählte, dass ich kurz vor einer solchen Spende stand, sorgte das für Aufmerksamkeit und ich durfte ganz viele Fragen beantworten.»
Ob er stolz sei auf seine Spende und darauf, dass er möglicherweise ein Leben gerettet habe? Ivo Binggeli verneint. «Ich habe ja nichts gemacht. Ich lag nur da, operiert und betreut, koordiniert haben die anderen.» Ob die Spende erfolgreich war, weiss er des Anonymitätsprinzips wegen nicht. Und er möchte es auch gar nicht wissen. «Superschön, wenn es gut rausgekommen ist. Wenn nicht, dann will ich es lieber nicht erfahren.»
Ein Kreis schliesst sich
Ivo Binggelis Lachen ist herzlich und kommt oft. Wer Zeit mit ihm verbringt, merkt schnell, dass seine positive Art ansteckend ist. Er strahlt eine Ruhe aus, die nicht aufgesetzt wirkt, sondern aus seiner Haltung kommt. «Zufrieden zu sein, das ist für mich das höchste Anliegen im Leben», sagt er. Vielleicht ist es genau diese Haltung, die ihn so selbstverständlich helfen lässt, ob am Beckenrand, im Pfadilager oder im Spital. Einfach, weil es jemand braucht. Und ja, erfahren hat er auch, dass es seiner ehemaligen Mitschwimmerin, die vor zwei Jahren eine Blutstammzellspende erhalten hatte, sehr gut geht.