
Immer positiv bleiben
Der 46-jährige Andreas Wicki steht mitten im Leben, als ihm die Diagnose «Multiples Myelom» den Boden unter den Füssen wegzieht. Er erzählt uns offen, wie er diese Situation erlebt.
«Mitte November 2018: Ich wollte den Katzenstreu meiner Katze entsorgen, als ich unerwartet einen stechenden Schmerz im Rücken verspürte. Die erste Diagnose war ein Hexenschuss. Ende November wieder: Als ich einen Kollegen an den Flughafen brachte, bin ich auf einmal zusammengebrochen. Quasi auf allen vieren bin ich zum Auto zurückgekrochen und nur mit Müh und Not nach Hause gefahren. Der Notfall benötigte dann wahrhaft etwa zweieinhalb Stunden um mich aus dem Auto zu holen, ich konnte mich vor Schmerzen unmöglich bewegen.
Drei Tage später zeigte sich, dass ich mir den Brustwirbel gebrochen hatte, zudem war mein Blutbild sehr auffällig. Eine Knochenmarkpunktion brachte dann Anfang Dezember die Diagnose: Multiples Myelom.
Die Diagnose
Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung der Plasmazellen, die sich im Knochenmark unkontrolliert vermehren und Zellhaufen im Knochenmark bilden, die die normale Bildung von Blutzellen verhindern und die Knochen zerstören. Leider kann man das Multiple Myelom nicht heilen, nur durch Therapien zurückdrängen. Die Ärzte gaben mir deshalb noch drei Jahre zu leben, ich lasse mich aber von dieser Zahl nicht einschüchtern und kämpfe mit einer positiven Einstellung immer weiter.
Meine drei besten Freunde waren bei der Diagnose dabei und haben mich moralisch unterstützt. Nach einem Moment des Schocks und der Trauer stellte ich mir aber als erstes die Frage: «Was kann ich nun tun, welche Möglichkeiten gibt es nun? » Ich versuche, immer positiv zu sein, immer positiv zu denken! Diese Einstellung ist mir in der letzten Zeit immer sehr zugute gekommen, auch nach herben Rückschlägen. Nach der Operation des gebrochenen Brustwirbels hatte ich zum Beispiel eine Wundheilungsstörung und musste mich kurze Zeit später noch ein zweites Mal an der gleichen Stelle operieren lassen.
Keine Fremdspende
Der Verlauf der Behandlung des Multiplen Myeloms ist bei jedem Patienten unterschiedlich und hängt von seinem allgemeinen Gesundheitszustand ab. In meinem Fall wird eine sogenannte autologe Blutstammzelltransplantation angewendet. Vor ein paar Wochen wurden mir gesunde Blutstammzellen entnommen, diese werden mir dann während zwei Chemotherapie-Zyklen im August und Dezember verabreicht. Diese Zellen sollten sich nun vermehren und wieder gesunde Blutzellen bilden. Der erste Zyklus ist gut verlaufen und ich konnte nach 16 Tagen das Spital bereits wieder verlassen. Ich freute mich sehr, dass ich nach dieser schweren Zeit so schnell wieder nach Hause konnte.

Eine Fremdspende kommt für mich momentan nicht in Frage, da es für den Körper einfacher ist, die eigenen Stammzellen wieder aufzunehmen und die Nebenwirkungen kleiner sind. In Zukunft könnte es einmal eine Option sein, im Moment aber nicht.
Ich hatte früher vom Thema Blutstammzellspende gehört, mich aber nie wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt. Die unerwartete Situation hat mich aber gelehrt, wie wichtig die Gesundheit ist und dass man sie nicht als selbstverständlich betrachten darf. Ich wünsche mir, dass möglichst viele sich mit dem Thema auseinandersetzen und sich als Spenderinnen oder Spender registrieren - damit auch Erkrankte, die auf eine Fremdspende angewiesen sind, die gleichen Möglichkeiten haben. Deshalb habe ich auch schon an all meine Freunde und Bekannte appelliert, sich zu registrieren.
Immer positiv sein
Was mir im Moment hilft, mit der Situation umzugehen? Für mich persönlich ist es mein grosses Netzwerk, meine Freunde, die mich extrem stützen. Mir tut es gut, mit den Leuten über die Situation zu sprechen und einfach offen zu sein und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Zudem bleibe ich immer positiv und gebe niemals auf. Ich nehme die Situation so, wie sie ist, und mache das Beste daraus. Ich sage mir zum Beispiel «Hey, mir geht es trotz der Krankheit und der Chemo gut. Ich hatte eigentlich Glück im Unglück». Dabei hat mir auch ein professionelles Mentaltraining sehr geholfen.
Trotzdem hat sich mein Leben vom einen auf den anderen Tag zu 100 Prozent verändert – ich war immer sehr aktiv und als Verkaufsleiter oft unterwegs. Heute kann ich dies durch die ständige Müdigkeit und Knochenschmerzen nicht mehr und ich bin auf Medikamente angewiesen, wie zum Beispiel synthetisch hergestelltes schmerzlinderndes Cannabis (THC). Damit gehe ich aber sehr verantwortungsbewusst um.
Man muss sich auch plötzlich mit Fragen auseinandersetzen, an die man vorher nicht gedacht hat, zum Beispiel mit der Nachwuchsplanung. Vor der Chemotherapie liess ich darum meine Spermien einfrieren, um alle Möglichkeiten offen zu halten.
Zeit zum Nachdenken
Da ich mit der Arbeit aufhören musste, habe ich mir überlegt, was ich mit der neu gewonnenen Zeit anfangen könnte. Schliesslich kam mir die Idee, ein Buch zu verfassen. Ein Freund hilft mir nun, meine Gedanken und Ideen niederzuschreiben – es geht um die ganze Verarbeitung dieser Situation aus einer ehrlichen Sichtweise heraus, ohne Verzerrungen. Dabei möchte ich Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind, etwas Positives mitgeben.
Aus meiner Sicht muss jeder für sich den Weg finden, der ihm hilft, stark zu sein und mit einer positiven Einstellung in die Zukunft zu blicken. Die mentale Einstellung ist sehr wichtig für jemanden in dieser Situation und kann auch die ganze Lebenssituation positiv beeinflussen.
Für mich gibt es nur eins – kämpfen!»
Andreas spricht offen über seine Situation und steht für Fragen über seinen Instagram-Kanal www.instagram.com/andreaswicki gerne zur Verfügung.